Warum Krisen die Kreativität beflügeln können

Oft ist es schwer, einer Krise etwas Positives abgewinnen zu können. Das Negative überwiegt, wir hoffen auf ein baldiges Ende und eine Rückkehr in den Normalzustand. Blickt man jedoch ein wenig tiefer, dann zeigt sich, dass ein Verhaltensschema sich in Krisenzeiten wiederholt: Wir werden kreativ, weil wir es müssen. Warum das so ist, erläutert eine neue Trendstudie.

Das Zukunftsinstitut, einer der führenden Ansprechpartner in der Trend- und Zukunftsforschung in Deutschland und international, postuliert in seiner neuen Trendstudie „Free Creativity“ eine aufmunternde These auch für die Corona-Zeit. Weil neue Denkansätze und Lösungswege gebraucht werden, treibt unsere Kreativität Blüten und lässt uns in kürzester Zeit neue Geschäftsmodelle und Konzepte entwickeln, die ohne die Krise vielleicht so nie geplant worden wären. Schlechte Zeiten lehren uns deshalb etwas über die Natur der Kreativität selbst und darüber, wie Zeitgeschehen und Wirtschaft davon profitieren.

Nicht der Druck, sondern die Dekonstruktion machts

Diverse Sprichworte zeugen von der Fähigkeit des Menschen, sich anzupassen. Wir alle kennen „Not macht erfinderisch“. In der letzten Zeit haben wir den Beweis dafür gesehen: Restaurants stampfen Lieferservices aus dem Boden, Läden satteln um auf Online-Shops und Geschäftsfelder oder Produktionen werden auf die Bedürfnisse der Menschen in der Not angepasst, um zu überleben. Aber entsteht diese erfinderische Energie wegen des Drucks und der Existenzängste?

Die Forscher sagen Nein. Ganz im Gegenteil, denn mit Druck lässt sich kreative Energie nicht erzwingen. Jeder, der mal unter Zeitdruck ein kreatives Konzept entwickeln musste, kann das bestätigen. Was aber lässt uns in solchen Situationen wirklich kreativ werden? Dekonstruktion heißt das Zauberwort. Was im Grunde nicht anderes bedeutet als das Auseinandernehmen der alten Verhältnisse. Nichts ist mehr so, wie es vorher war, deshalb entsteht Raum für Neues.

Alles ist offen, alles kann neu gedacht werden, weil bestehende Regeln nicht mehr gelten. Genau dieser Freiraum lässt den Geist aktiv werden und uns Pläne entwickeln, an die wir vorher nicht einmal zu denken gewagt hätten. Krisen setzen kreative Energie frei, weil neue Umstände auch neue Chancen bedeuten. Die Dekonstruktion erzeugt einen Möglichkeitsraum für die Zukunft.

Wenn das Leben dir Zitronen gibt, mach Limonade draus

Ändern können wir die Lage nicht allein. Aber unsere Denkweise anpassen, das könnten wir versuchen. Für Unternehmen ist es deshalb in Krisenzeiten wichtig, offen zu sein für Improvisation und alte Routinen loszulassen. Unsere Wirtschaft zeigt es in Ansätzen schon. Homeoffice oder Coworking, digitales Distanzlernen und andere Entwicklungen wurden in nie geahnter Geschwindigkeit möglich, was vor Kurzem noch visionär war, ist jetzt oft schon Alltag. Wichtig ist dabei oft nicht, welche Ressourcen einem Unternehmen zur Verfügung stehen, sondern wie flexibel und einfallsreich das Denken ist.

Die Krise als kreative Kraft

Betrachtet man eine Krise also aus dem Blickwinkel der menschlichen Evolution, dann ergibt sich ein aufmunterndes Bild. Mütter kennen das aus einem anderen Zusammenhang. Nach einer überstandenen Kinderkrankheit hat der Nachwuchs oft auch gleichzeitig einen Entwicklungsschub gemacht und neue Fähigkeiten entwickelt. Bei Säuglingen und Kleinkindern ist das sehr gut zu spüren. Die Parallele ist offensichtlich: Not ist eine Triebfeder für Veränderung und Entwicklung. Sehen wir Kreativität also als einen Modus der Realitätsverarbeitung und Entwicklung, gewinnen wir Tipps für den Umgang mit der Krise. Wer ergebnisoffen und flexibel bleibt, hat bessere Aussichten, mit seinem Unternehmen die Krise zu überstehen. Gerade jetzt ist es Zeit, sich von alten Strukturen und Abhängigkeiten frei zu machen und einen neuen Handlungsspielraum zu finden. Offen bleiben heißt die Devise, denn: „Alles Gescheite ist schon gedacht worden, man muss nur versuchen, es noch einmal zu denken“, hat schon Goethe gewusst.

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